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Cannabis und Schmerzen

Cannabinoide in der Schmerztherapie

ein Artikel geschrieben von Dr. med. Ludger Kämmerling,

Chefarzt Anästhesie und Intensivmedizin im Marien Hospital Papenburg Aschendorf

Seit nunmehr fast fünf Jahren ist die Verordnung von Cannabis zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen etabliert. Seither hat sich ein lukrativer Markt entwickelt, der vermutlich durch die angestrebte Legalisierung von Cannabis weiter expandieren wird. Medizinische Cannabinoide enthalten - wie das natürliche Cannabis -Tetrahydrocannabinol, wenngleich die Zusammensetzung der medizinischen Cannabispräparate insgesamt vom natürlichen Cannabis abweicht. Jeder Mensch bildet sozusagen im Eigenverbrauch im zentralen Nervensystem Endocannabinoide nach. Diese nehmen eine zentrale Rolle als Signalsystem zwischen Nervenzellen ein. Ihre Wirkung entfalten Cannabinoide über Rezeptoren, diese entsprechen Bindungsstellen für chemische Botenstoffe. Über dieses Schlüssel-Schloss-System erfolgt die Signalweitergabe von Nervenimpulsen zwischen den Zellen. Cannabinoide verstellen über diesen Mechanismus die Ansprechbarkeit und Empfindlichkeit im Leitungssystem der Nervenzellen.

Das köpereigene Cannabinoidsystem ist entwicklungsgeschichtlich sehr alt und ermöglicht sozusagen ein "Feintuning" der Reizweiterleitung, welches im Körper viele Vorgänge ausgleicht und in der Balance hält. Dieses System übernimmt eine Vielzahl von Aufgaben, unter anderem:

  • Minderung der Schmerzweiterleitung
  • Verminderung von Stressreaktionen, die bei der Schmerzentstehung auftreten
  • Regulation der Appetitsteigerung und Aktivierung von Stoffwechselvorgängen, wichtig in der Tumortherapie
  • Es wirkt angstlösend und dämpft überschießende Entzündungsreaktionen im Zentralnervensystem
  • Dämpfung des Schmerzgedächtnisses bei chronischen Schmerzen

Der anfängliche Hype um die Verordnung der Cannabispräparate hat sich ein wenig gelegt. Manch ein Patient und Arzt musste die Erfahrung machen, dass medizinisches Cannabis kein Allheilmittel ist. Ein Ersatz für die etablierte Therapie mit stark wirksamen Morphinpräparaten ist Cannabis nicht. Allerdings gelingt es häufig durch die Kombination mit Cannabistropfen die Dosis und die unerwünschten Nebenwirkungen von Opiatpräparaten herabzusetzen. Cannabis bewirkt meist nur eine Distanzierung vom empfundenen Schmerz, durch besseren Schlaf, Herabsetzung der Stressreaktion und einem allgemein positiverem Lebensgefühl.

Natürliches Cannabis enthält unterschiedliche Substanzen des Tetrahydrocanabinols (THC), die aber im medizinischen Cannabis nicht vorkommen. Die berauschende Wirkung des inhalierten THC kommt vornehmlich durch die extrem hohe Aufnahme des THC in der Lunge zu Stande, was zu einem sehr hohen THC-Spiegel im Blut führt. Dies ist bei der Einnahme von medizinischen Tropfen, zum Beispiel Dronabinol, nicht zu erwarten. Dronabinol-Tropfen sind eindeutig die am häufigsten angewandten Präparate, da deren Wirkstoffgehalt und die Aufnahme in den Körper über den Magen-Darm-Trakt relativ stabil kalkulierbar sind.

Auf dem Markt erhältlich sind ebenfalls synthetisch hergestellte Cannabinoide, die bisher häufig in der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien eingesetzt wurden. Auch diese finden in der schmerztherapeutischen Behandlung einen Einsatz, da sich die Wirkung kaum von den natürlich hergestellten Präparaten unterscheidet.

Die Legalisierung von Cannabis wird in medizinischen Kreisen sehr kontrovers diskutiert. Insbesondre Kinder- und Jugendärzte warnen davor, denn der regelmäßige Cannabiskonsum, speziell im jugendlichen Alter, verändert viele Stoffwechselprozesse im Nerven- und Hormonsystem des Körpers. Dosisabhängig lassen sich diese Prozesse unter Umständen nicht wieder rückgängig machen.

Dr. med. Ludger Kämmerling

Cannabis in der Schmerzbehandlung

Seit 2017 dürfen Ärzte Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen und bei fehlenden Therapiealternativen Cannabis (Cannabinoide) zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnen. Viele Schmerzpatienten haben hohe Erwartungen und große Hoffnung auf cannabishaltige Medikamente.

Die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. weist darauf hin, dass lediglich bei einem Bruchteil der Erkrankungen mit speziellen chronischen Schmerzen erwiesen ist, dass cannabisbasierte Arzneimittel helfen. 

Darreichungsformen

Cannabionoide werden aus der Hanfpflanze Cannabis sativa gewonnen.

Der pflanzliche Cannabis enthält über 100 Inhaltsstoffe, u.a. die Cannabinoide. Ärzte dürfen Extrakte, künstliche Cannabinoide oder getrocknete Cannabisblüten (Medizinal-Hanf) verordnen. Cannabisblüten haben sehr unterschiedliche Wirkstoffzusammensetzungen und es Bedarf zum Inhalieren einen Verdampfer.

Werden Cannabisblüten geraucht oder inhaliert, flutet die Wirkung schnell an, lässt aber auch schnell wieder nach, was in der Schmerzbehandlung nicht erwünscht ist.

Von einer Eigentherapie mit Cannabisblüten raten Experten ausdrücklich ab, da die Dosierungen ungenau seien und es zu unerwünschten, gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen kommen kann.

Bei Schmerzpatienten ist der Einsatz eines Fertigarzneimittels besser, da die Wirkdauer länger ist und sich die Dosierung besser steuern lässt.

Einsatzgebiete und Wirksamkeit

Cannabinoide dürfen nur in Einzelfällen bei schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen gegeben werden, bei denen andere Medikamente keine Wirkung gezeigt haben. Eine Krankheit gilt dann als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie eine so schwere Gesundheitsstörung verursacht, dass die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt ist. Cannabinoide können meist keine Schmerzfreiheit herstellen, die Schmerzen werden aber unter Umständen vermindert wahrgenommen und schmerzbedingte Schlafstörungen können sich verbessern. Für eine deutliche Schmerzreduktion um mind. 50% liegt kein Beweis vor.

Als mögliche Einsatzgebiete für cannabisbasierte Medikamente gelten derzeit insbesondere chronische Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen), Spastik (langandauernde Muskelverkrampfung) bei Multipler Sklerose sowie Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen bei Krebserkrankungen unter Chemotherapie.

Akutschmerzen und Gewebeschmerzen wie z.B. muskuläre Schmerzen scheinen weniger auf Cannabinoide anzusprechen. Bei Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, rheumatoider Arthritis, chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung, Morbus Crohn, Schiefhals und Reizdarmsyndrom konnten keine eindeutigen Verbesserungen erzielt werden.

Nebenwirkungen

Unter einer Therapie mit Cannabinoiden kann es zu Nebenwirkungen im Gehirn kommen, die sich z. B. in Form von Übelkeit, Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel, Mundtrockenheit, Störungen der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung und des Denkens sowie Stimmungsschwankungen zeigen können. Weitere Nebenwirkungen sind Suchtentwicklung, Beeinflussung von Gedächtnisfunktionen, Verwirrtheit, Gewichtszunahme, Bewegungsbeeinträchtigungen, Nebenwirkungen auf das Herz- und Kreislaufsystem und Lustlosigkeit. Die bisherigen Untersuchungen beziehen sich auf kurze Behandlungszeiträume von wenigen Wochen bis Monaten, die besonderen Risiken einer Langzeitbehandlung sind weitestgehend unklar. Bei gleichzeitig zur Schmerzerkrankung bestehenden bestimmten psychiatrischen Erkrankungen wie Suchterkrankungen oder Psychosen ist von einer Behandlung mit Cannabinoiden abzusehen, da die Risiken und Nebenwirkungen hier besonders erhöht sind.

Unter medizinischer Anwendung ist das Lenken von Fahrzeugen und Bedienen von Maschinen vorrübergehend eingeschränkt. Diese Einschränkungen treten besonders bei Ersteinnahme, Entzug und je nach Dosishöhe auf. Die kontinuierliche Verfügbarkeit der Arznei ist z.B. bei Auslandsreisen zu gewährleisten, sonst kann es zu Entzugssymptomen kommen. Cannabis darf nicht in der Schwangerschaft und Stillzeit gegeben werden.

Verschreibung

Die Cannabinoide können vom Arzt nur in speziellen Einzelfällen verschrieben werden. Der Antrag auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse bedarf einer besonderen Begründung durch den behandelnden Arzt. Zusätzlich muss der Patient bereit sein, an einer Begleitforschung teilzunehmen.

Fazit
Cannabis ist kein Wundermittel. In der Schmerztherapie kann es derzeit nur bei Patienten mit nicht anders behandelbaren schwersten chronischen Nervenschmerzen eingesetzt werden. Sie sollten nicht als einzige Maßnahme gesehen werden, sondern nur in Kombination mit physiotherapeutischen und psychotherapeutischen Verfahren. Eine langfristige Therapie ist nur bei einer anhaltenden positiven Wirkung sinnvoll. Allerdings gibt es noch keine ausreichenden Erfahrungen zu Erfolg und Sicherheit in der Langzeitbehandlung.


DGS - PraxisLeitlinien Schmerzmedizin

Schmerzmittel-Studie: Cannabis bei Schmerzen besser als Aspirin?

Hoffnung für Schmerzpatienten: Kanadische Forscher bestätigen, dass Cannabis bei Schmerzen 30-mal besser als Aspirin helfen soll. In Deutschland ist Cannabis als Arzneimittel nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.

Forscher aus Kanada haben die Cannabis-Pflanze nun bis auf Molekülebene untersucht und die schmerzlindernde Wirkung bestätigt.  Cannabis ist 30-mal wirkungsvoller als Aspirin:

Bereits seit Jahrzehnten sind einige positive Eigenschaften der Cannabis-Pflanze bekannt.

In Deutschland ist der Einsatz als Arzneimittel seit 2017 unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen, auch die Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenkasse ist in bestimmten Fällen möglich. Nun ist auch das Geheimnis um die heilenden Bestandteile der Pflanze gelüftet: Ein kanadisches Forscherteam der University of Guelph hat in einer Studie die Zusammensetzung der Cannabisblüten näher untersucht und herausgefunden, dass diese schmerzlindernde Moleküle erzeugen, die 30-mal wirkungsvoller sind als das Schmerzmittel Aspirin.

Cannabis als Arzneimittel: Hilfe bei chronische Schmerzen

Laut dem Ärzteblatt gelten in Deutschland etwa acht Millionen Menschen als chronisch schmerzkrank. Rund einem Viertel dieser Patienten sei mit herkömmlichen Medikamenten nicht ausreichend zu helfen. Dazu zählen Patienten mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium, multipler Sklerose (MS) und Aids. Für diese Menschen sei die Behandlung mit in Cannabis enthaltenen Cannabinoiden und Opioiden eine mögliche Alternative.

Die klassische Behandlung chronischer Schmerzpatienten mit aus Opium gewonnenen Substanzen bringe zwar auch eine schmerzlindernde Wirkung mit sich, allerdings sei das Risiko für erhebliche Nebenwirkungen und Sucht groß.

Beim Einsatz von Cannabis können auch Probleme drohen: In einem Artikel warnt das Ärzteblatt sogar vor schlimmen Nebenwirkungen wie einer Schizophrenie-Erkrankung.

Mit biochemischen und genomischen Verfahren konnten die kanadischen Forscher zwei wichtige Moleküle nachweisen: Die zu den Flavonoiden gehörenden Atomverbindungen Cannflavin A und Cannflavin B könnten die Grundlage für neue Schmerzbehandlungen ohne die bisherigen Nebenwirkungen und Suchtgefahr sein.

Molekülverbindungen als Grundlage für neue Schmerzbehandlung

Die neu entdeckten Moleküle aus der Cannabispflanze bekämpfen eine Entzündung direkt an der Quelle und seien deswegen fast 30 Mal effektiver als der in Aspirin enthaltene Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS).

"Das Problem mit diesen Molekülen ist jedoch, dass die Cannflavine im Cannabis nur im geringen Maße vorhanden sind", erklärt Professor Steven Rothstein aus dem Studienteam. Deshalb müsste weiter geforscht werden, um die sekundären Pflanzenstoffe in großer Menge herstellen und tatsächlich als Alternative zu herkömmlichen Schmerzmitteln, beispielsweise in Cremes, Pillen oder Pflastern, verwenden zu können. Schon länger setzen sich viele Organisationen für eine vereinfachte Zugänglichkeit der Cannabispflanze in der Medizin ein. Der Deutsche Hanfverband fordert eine Lockerung der Gesetzeslage für Nutzhanfbauer in Deutschland, die auch heutzutage noch durch "rückständiges Verhalten der Bundesregierung" in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt seien.

Cannabis bald als Genussmittel freigegeben?

Im Februar hat sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für eine Neuklassifizierung von Cannabis und einer damit vereinfachten medizinischen Nutzung ausgesprochen. Bislang war die Pflanze ebenso wie Heroin, Kokain oder Chrystal Meth als Substanz ohne medizinischen Nutzen klassifiziert worden.

Die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen hat gemäß der Empfehlung der WHO Cannabis und Haschisch aus der Liste der gefährlichsten Drogen gestrichen. Die Neubewertung könnte dazu führen, dass Cannabis in machen Ländern nicht nur als Heilmittel, sondern auch als Genussmittel freigeben wird. In Ländern wie Kanada oder Urugay ist dies jetzt schon der Fall.

inFranken.de-Redakteur Robert Wagner ist bereits seit einiger Zeit der Meinung, dass die Legalisierung von Cannabis nicht aufzuhalten ist. Im Jahr 2019 hat in Würzburg das erste Cannabis-Café Deutschlands eröffnet.

inFranken.de hat das "Cannameleon" bereits besucht.

Cannabis bei neuropathischen Schmerzen wirksam

Dr. Maja M. Christ, Stuttgart 

Im Bereich der medizinischen Cannabisprodukte herrscht Aufbruchsstimmung. Auf dem 30. Deutschen Schmerz- und Palliativtag Anfang März 2019 in Frankfurt wurde in vielen Vorträgen über Cannabinoide in der Schmerzmedizin referiert. Ein bestehendes Problem, das im Symposium "Cannabis als Medizin - Evidenz oder Eminenz?" diskutiert wurde, ist die fehlende Evidenz aus klinischen Studien. Evidenz besteht demnach derzeit nur für ein Fertigarzneimittel.

Seit Inkrafttreten des "Cannabisgesetzes" 2017 können Ärzte cannabishaltige Arzneimittel verordnen, sofern der Patient unter einer schwerwiegenden Erkrankung leidet und es keine Therapiealternativen gibt.

Seitdem sind die Abgaben von cannabishaltigen Fertigarzneimitteln, Rezepturen und Blüten stetig gestiegen. Allerdings wurden bei der Verschreibungsfähigkeit von Medizinalhanf die Standards, die für Arzneimittelzulassungen in Europa üblich sind, nicht berücksichtigt. So haben viele Studien mit Cannabis weniger als das übliche Minimum von 50 Teilnehmern. Das betonte Michael Überall, Nürnberg, auf dem 30. Deutschen Schmerz- und Palliativtag.

Zu vielen Krankheitsbildern können aufgrund der begrenzten Datenlage noch gar keine evidenzbasierten Aussagen zur Wirksamkeit gemacht werden. Evidenz besteht derzeit nur für das Nabiximols-Oromukosalspray (Sativex®), ein cannabinoidbasiertes Fertigarzneimittel, das die Cannabinoide Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) im definierten Verhältnis (27 : 25) enthält. Es ist zugelassen zur Symptomverbesserung bei erwachsenen Patienten mit multipler Sklerose (MS) und mittelschwerer bis schwerer Spastik.

Welche Patienten von Cannabinoiden profitieren ...

Nabiximols ist bei chronischen Schmerzen die am besten untersuchte Cannabisarznei.

Die Evidenz für eine leichte Schmerzreduktion versus Placebo ist gut.

Eine eingeschränkte Evidenz für den Einsatz des Sprays besteht bei neuropathischen Schmerzen.

Keine ausreichende Evidenz für Cannabinoide gibt es laut Überall bei Tumorschmerzen, rheumatischen und gastrointestinalen Schmerzen oder bei Appetitlosigkeit bei Krebs und AIDS.

In der Indikation "Übelkeit und Erbrechen bzw. Appetitstimulation" bei Menschen mit chemotherapeutisch behandelter Krebserkrankung und HIV/AIDS wurde allerdings ein Nutzen der medizinischen Anwendung von Cannabis gefunden. 

Außerdem besserte sich die Spastizität bei MS.

... zeigen Real-World-Daten aus dem PraxisRegister Schmerz

In einer Auswertung von Daten des PraxisRegisters Schmerz wurden zwischen März und Dezember 2017 1224 Patienten dokumentiert, die Cannabis als Medizin erhielten [3]. Darunter erhielten 800 Patienten (65 %) das Nabiximols-Oromukosalspray. 93 % dieser Patienten wiesen dysfunktionale Schmerzen auf, mehr als die Hälfte hatte neuropathische Schmerzen.

Die Patienten waren zuvor im Mittel bei acht bis neun verschiedenen Ärzten und hatten median zehn unterschiedliche Analgetika und sechs nichtmedikamentöse Schmerztherapien erhalten. Initial erhielten die Patienten ein bis vier Hübe pro Tag (im Mittel 2,6), nach vier Wochen im Rahmen der Auftitrierung drei bis elf Hübe pro Tag (im Mittel 7,1).

Nach 12 Wochen Anwendung des Nabiximols-Oromukosalsprays hatten sich schwerwiegende Beeinträchtigungen durch Schmerz oder Stress deutlich gebessert (Tab. 1).

Unter der Behandlung mit dem Nabiximols-Oromukosalspray ging auch der Bedarf an sonstigen Analgetika zur Dauer- und Notfalltherapie zurück - sowohl bezüglich der Anzahl als auch der Dosis.

Tab. 1. Veränderung der schwerwiegenden Beeinträchtigungen nach 12 Wochen mit Nabiximols-Oromukosalspray

Bei der Gesamtauswertung zeigte sich, dass Patienten mit nozizeptiven Schmerzen - im Gegensatz zu neuropathischen Schmerzen - nicht von dem Spray profitierten (Abb. 1). 

Abb. 1. Rückgang der Schmerzintensität nach 12 Wochen Nabiximols-Oromukosalspray - differenziert nach Schmerztyp

Als vorhersagerelevante Parameter für den Therapieerfolg unter dem Nabiximols-Oromukosalspray konnten Schmerzphänotyp, Stress, Angst, Schmerzintensität und körperliche Lebensqualität identifiziert werden.

Insgesamt wurde das Nabiximols-Oromukosalspray gut vertragen. Unerwünschte Wirkungen wurden bei 159 Patienten (19,9 %) dokumentiert, die überwiegend geringer Intensität waren.

Darunter wurden vor allem Wirkungen auf Stoffwechsel (27,2 %), Nervensystem (25,3) und Gastrointestinaltrakt (20,4 %) gemeldet. Insgesamt 32 Patienten beendeten die Behandlung wegen unerwünschter Nebenwirkungen, beispielsweise wegen eines unangenehmen Geschmacks des Spray oder gesteigertem Appetit. Unzureichende Schmerzlinderung führte bei 113 Patienten zum Abbruch der Behandlung.

Fazit und Ausblick

Für die Wirksamkeit von Cannabinoiden fehlt in vielen Bereichen noch die Evidenz aus geeigneten klinischen Studien. Lediglich für das zugelassene Nabiximols-Oromukosalspray liegt eine gute Datenbasis vor, die in einer Auswertung aus dem PraxisRegister Schmerz bestätigt werden konnte. Wichtig ist, dass Cannabinoide nach bisherigem Wissenstand bei nozizeptivem Schmerz nicht wirksam sind. Am wirksamsten zeigten sie sich bei neuropathischen Schmerzen.

Therapeutisch interessant ist nicht nur das Tetrahydrocannabinol (THC, Dronabinol), sondern auch das kaum psychoaktiv wirkende Cannabidiol (CBD). Es wirkt antipsychotisch, müsste aber für stärkere Effekte in deutlich höheren Dosen als bislang üblich eingesetzt werden. Außerdem stehen klinische Studien noch aus - die Wirksamkeit wurde bislang vor allem im Tiermodell untersucht.

Quelle : Prof. Dr. Beat Lutz, Mainz, Priv.-Doz. Dr. Michael Überall, Nürnberg, Lunch-Symposium "Cannabis als Medizin - Evidenz oder Eminenz?", unterstützt von Almirall im Rahmen des 30. Deutschen Schmerz- und Palliativtags 2019, Frankfurt, 7. März 2019.