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Autismus und Cannabinoide

Autismus und Cannabis als Medizin

Der Autismus hat verschiedene Ausprägungen. Zwar ist die Erkrankung nicht heilbar, Cannabis als Medizin könnte aber vermutlich eine Option sein, um begleitende Symptome wie beispielsweise Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten, Depressionen und Ängste zu lindern.

Autismus: Was ist das?

Autismus-Spektrum-Störungen sind komplexe neurologische, tiefgreifende Entwicklungsstörungen.

Diese betreffen die Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung, was Auswirkungen auf das soziale Verhalten, soziale Kontakte, soziale Interaktion und Kommunikation sowie auf das Verhaltensrepertoire hat.

Nach den Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der ICD-10 sind die Autismus-Spektrum-Störungen unter F84 als medizinische Diagnose definiert.

Welche Autismus-Formen gibt es?

Bei Autismus-Spektrum-Störungen wird zwischen verschiedenen Formen unterschieden:

  • Kanner-Syndrom (frühkindlicher Autismus): Dieses autistische Syndrom ist die bekannteste Form, das sich vor dem dritten Lebensjahr bemerkbar macht. Ungefähr 2 bis 5 von 10.000 Kindern leiden darunter. Dabei sind Jungen drei- bis viermal häufiger betroffen.
  • Asperger-Syndrom: Der Asperger-Autismus, benannt nach Hans Asperger, tritt meist im Schulalter auf und ist milder ausgeprägt. Ungefähr 3 von 10.000 Kindern leiden unter der Asperger-Krankheit. Auch hier sind überwiegend Jungen betroffen.
  • Atypischer Autismus: Der atypische Autismus ähnelt dem frühkindlichen Autismus. Dabei unterschiedet sich der atypische Autismus vom frühkindlichen Autismus dadurch, dass betroffene Kinder nach dem 3. Lebensjahr ein autistisches Verhalten (atypisches Erkrankungsalter) oder nur wenige Symptome aufweisen (atypische Symptomatik).
  • Rett-Syndrom: Von dieser Autismusspektrumstörung sind fast nur Mädchen betroffen (1 von 15.000 Mädchen). Die ersten Autismus-Symptome treten zwischen dem 6. Monat und dem 4. Lebensjahr auf. Dabei kommt die normale Kindesentwicklung zunächst zum Stillstand. Danach bilden sich einige Fähigkeiten wieder zurück.

Autismus: Genaue Zahlen zur Häufigkeit existieren nicht. 

Autisten leiden oft unter Kommunikationsstörungen. 

Autisten beschäftigen sich häufig mit Details. 

Autismus: Die Diagnose ist schwierig. 

Häufigkeit autistischer Störungen

Seit Jahren versuchen Forscher herauszufinden, wie hoch die Prävalenz von Autismus ist. So wurde die Häufigkeit der autistischen Störungen in Untersuchungen der 60er und 80er Jahre auf 2 bis 5 autistische Personen pro 10.000 Menschen geschätzt. Nachdem die Definition von Autismus-Spektrum-Störungen Ende der 80er Jahre in das Asperger-Syndrom und den atypischen Autismus unterteilt wurde, erhielten mehrere Menschen Diagnosen aus dem Autismus-Spektrum.

Im Jahr 1988 wurde dann in zwei Untersuchungen die Prävalenz auf 10 bis 13 autistische Personen pro 10.000 Menschen geschätzt und im Jahr 1993 wurde dann die Häufigkeit von Autismus und dem Asperger-Syndrom auf 30 von 10.000 nicht-autistische Menschen geschätzt. Dann wurden in den 90ern Jahren vereinzelt Untersuchungen durchgeführt, die eine geringere Häufigkeit von 4 bis 6 autistischen Menschen von 10.000 Menschen angegeben hatten. Tendenziell stieg aber die Häufigkeitsrate.

Mehrere Untersuchungen nennen ab dem Jahr 2000 eine Prävalenz von ungefähr 60 pro 10.000 Menschen und 2006 hieß es in einer Untersuchung, dass 116 von 10.000 Menschen von einer Autismusspektrumstörung betroffen sind. Da aktuell keine genauen Zahlen in Bezug auf die Häufigkeit der einzelnen Autismusspektrumstörungen vorliegen, dienen die oben genannten Daten lediglich als Orientierungswert.

Wie erkennt man Autismus?

Da im Rahmen einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung zahlreiche unterschiedliche Symptome auftreten können, wird von einer Autismusspektrumstörung gesprochen. Außerdem können die Autismus-Formen auch unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Möglich sind milde autistische Züge, aber auch eine schwere geistige Behinderung. Dabei wirkt sich das Autismus-Spektrum auf unterschiedliche Lebensbereiche aus. Die meisten autistischen Menschen zeigen soziale Kommunikations- und Sprachstörungen, stereotype Verhaltensmuster sowie ein begrenztes Interesse an Alltagsdingen.

Gestörte zwischenmenschliche Beziehungen

Ein typisches autistisches Symptom ist, dass Autisten über keine gute soziale Kompetenz verfügen, bzw. Probleme mit zwischenmenschlichen Beziehungen haben. So neigen sie dazu, sich von ihrer Umwelt zurückzuziehen. Deshalb wirken sie häufig unnahbar und seltsam. Außerdem sind Autisten nur beschränkt in der Lage, eine vertrauensvolle und dauerhafte soziale Beziehung zu anderen Menschen einzugehen. Meist reagieren sie auf Kontaktversuche in Form von Blickkontakt oder Körperkontakt abweisend.

Darüber hinaus ist das Nachahmungsverhalten nur schwach ausgeprägt. Beispielsweise winken autistische Kinder im Vergleich zu anderen Kindern beim Verabschieden nicht zurück oder sie haben Schwierigkeiten, eigene Gefühle zu äußern.

Beim Kanner-Syndrom bzw. dem frühkindlichen Autismus fallen Kommunikationsstörungen meist schon früh auf.

Oftmals ist das Sozialverhalten schon im Babyalter sehr auffällig, indem sie beispielsweise andere Menschen nicht ansehen und keinen Körperkontakt zu ihren Eltern suchen. Für Autisten scheinen die Mitmenschen nicht zu existieren.

Hingegen sind die Symptome beim Asperger-Syndrom nicht so stark ausgeprägt. Zwar ist die Beziehung zu anderen Menschen gestört und es fehlt auch hier das soziale Verständnis, aber nicht ganz so tiefgreifend.

Kinder mit der Asperger-Krankheit nehmen nur begrenzt Kontakt zu Gleichaltrigen auf und wirken eher isoliert. Zudem fällt es ihnen schwer, sich in andere Menschen und ihre Gefühle hineinzuversetzen. Meist fallen die ersten Symptome im Kindergarten oder in der Grundschule auf.

Kommunikations- und Sprachstörunge

Bei den Autismusspektrumstörungen können Kommunikations- und Sprachstörungen auftreten, die sich wie folgt äußern:

  • Kanner-Syndrom (frühkindlicher Autismus) und atypischer Autismus: Autisten zeigen eine gestörte Sprachentwicklung und haben bereits im Kleinkindalter Probleme damit, mit anderen zu kommunizieren. Viele Autisten erwerben im Laufe ihres Lebens nie eine sinnvolle Sprache. Häufig benutzen sie bestimmte Wörter immer wieder oder wiederholen diese (Echolalie). Möglich ist auch, dass sie neue Wörter erfinden (Neologismen) oder die Bedeutung von Wörtern verdrehen (pronominale Umkehr).
  • Asperger-Syndrom: Die Sprache von Autisten mit der Asperger-Krankheit entwickelt sich normal. Dennoch weisen sie eine gestörte Kommunikation auf, indem sie die Sprache häufig nicht nutzen. Einige von ihnen weisen eine überdurchschnittliche Intelligenz auf und wirken dann unkindlich und altklug. Wieder andere führen Selbstgespräche oder sprechen mit einer Sprachmelodie. Viele Asperger-Autisten fassen das Gesagte auch wörtlich auf und können Redewendungen, Ironie oder Sprichwörter nicht deuten.

Stereotype Verhaltensweisen und Bewegungen

Viele Autisten neigen dazu, bestimmte Tätigkeiten stets nach dem gleichen Muster auszuführen (Stereotypien). So bewegen Kinder mit frühkindlichem Autismus beispielsweise ihre Hand ständig hin und her oder sie wippen immer wieder vor und zurück. Zudem halten sie an Ritualen fest und fühlen sich bei Veränderungen sofort überfordert.

Des Weiteren beschäftigen sich autistische Kinder meist nicht mit Spielsachen, sondern eher mit den Teilaspekten, wie zum Beispiel mit dem Rad eines Spielautos. Mechanische Gegenstände finden autistische Kinder häufig sehr spannend, sodass sie diese stundenlang beobachten. Oftmals zeigt sich bei diesen Kindern auch eine geminderte Intelligenz.

Hingegen sind Betroffene mit der Asperger-Krankheit in der Regel durchschnittlich oder überdurchschnittlich intelligent.

Dennoch leiden sie unter Aufmerksamkeits- und Lernschwierigkeiten. Hinzu kommt, dass Asperger-Autisten auf Einschränkungen oder Anforderungen meist mit Wutausbrüchen reagieren und dazu neigen, ihren Willen mit allen Mitteln durchzusetzen.

Allgemeine Einschränkungen

Autisten leiden sehr häufig unter Schlafstörungen, Angststörungen und Essstörungen. Bei Betroffenen, die unter der Asperger-Krankheit leiden, ist vor allem die Aufmerksamkeit gestört. Zudem können sie eine Bewegungsunruhe (hyperkinetisches Verhalten) sowie Tic-Störungen zeigen. Einige Autisten leiden auch unter epileptischen Anfällen oder Depressionen.

Was sind die Ursachen für Autismus?

Die Frage, warum der frühkindliche Autismus entsteht, kann bis heute nicht eindeutig beantwortet werden. Es wird davon ausgegangen, dass unterschiedliche Risikofaktoren, wie beispielsweise genetische Faktoren, zur Entstehung beitragen. Zudem wird vermutet, dass verschiedene Einflüsse während einer Schwangerschaft, wie zum Beispiel eine Röteln-Infektion oder aber auch die Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Antiepileptika oder Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) das Autismus-Risiko erhöhen. Außerdem kann vermutlich ein höheres Alter der Eltern die Krankheitsentstehung begünstigen.

Auch beim Asperger-Syndrom sind die Ursachen nicht abschließend geklärt. Hier wird ebenfalls angenommen, dass verschiedene Faktoren die Krankheit begünstigen. Eine genetische Komponente scheint hier ebenso wahrscheinlich wie biochemische und hirnorganische Auffälligkeiten.

Beim Rett-Syndrom kann die genaue Ursache eingegrenzt werden, da bei den Kindern auf dem X-Chromosom das Gen "MeCp2" verändert ist.

Autismus-Diagnose und Therapie

Für Mediziner ist es nicht einfach, eine Autismusspektrumstörung zu erkennen, denn nicht jedes Baby, das wenig Interesse an seiner Umwelt zeigt, leidet automatisch an einem Autismus.

Ebenso gibt es auch Kinder, die im Kindergarten oder in der Grundschule lieber für sich sind, ohne dass gleich von einer kognitiven Behinderung, bzw. einer psychischen Störung ausgegangen werden muss. Vielmehr kann es für solche Verhaltensweisen verschiedene Erklärungen geben.

Bis die Diagnose gesichert ist, vergeht meist sehr viel Zeit. Häufig stellen dann Kinder- und Jugendpsychiater die Diagnose, nachdem unterschiedliche Untersuchungen durchgeführt und das Kind lange Zeit beobachtet wurde.

Darüber hinaus können auch andere Erkrankungen vorliegen, die an eine Autismusspektrumstörung erinnern, wie zum Beispiel ADHS, Einschränkungen im Seh- oder Hörvermögen oder eine Angsterkrankung.

Heilbar ist eine Autismusspektrumstörung nicht und ein normales Leben wie wir es kennen, werden Betroffene meist nicht führen können. Trotz Therapie bleiben Betroffene ihr Leben lang mehr oder weniger in ihrem sozialen Leben eingeschränkt.

Trotzdem ist eine Therapie beim Asperger Syndrom und bei den anderen Formen des Autismus wichtig, um die normale Entwicklung zu fördern.

Welche Autismus-Therapie infrage kommt, richtet sich vor allem danach, welche Autismus-Form vorliegt. Zudem muss die Therapie auch immer individuell an den Betroffenen angepasst werden. Dabei können verschiedene Therapien zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel Verhaltenstraining (Training sozial-emotionaler Kompetenzen), Musik- oder Kunsttherapie, Reittherapie, Sprachtraining und Ergotherapie.

Auch die Elternarbeit spielt eine wichtige Rolle, denn Eltern können ihr Kind nur fördern, wenn sie die Erkrankung akzeptieren und verstehen. Nicht selten ist die Erkrankung ihres Kindes eine enorme psychische Belastung. Jedoch können Eltern im Rahmen einer Therapie lernen, mit der Situation besser umzugehen.

Welche Medikamente helfen bei Autismus?

Eine spezielle medikamentöse Behandlung kommt in der Regel nicht zum Einsatz. Bisher gibt es keine Medikamente, die gegen die Hauptsymptome einer Autismusspektrumstörung helfen. Allenfalls können Medikamente eingesetzt werden, um die Begleiterscheinungen wie beispielsweise starke Spannungszustände oder selbstverletzendes Verhalten zu lindern. Verordnet werden dann oft Benzodiazepine oder Neuroleptika, die jedoch starke Nebenwirkungen haben können. Einige Patienten leiden unter Depressionen oder starken Ängsten. In diesem Fall werden Antidepressiva wie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer gegeben.

Studie: Dronabinol konnte Autisten helfen. 

Cannabisöl und Autismus: Neue Studie

Wie kann Cannabis als Medizin bei einer Autismus-Erkrankung helfen?

Es existieren verschiedene Untersuchungen, die Hinweise darauf geben, dass Cannabis als Medizin das Verhalten und die Kommunikationsfähigkeit von Autisten verbessern kann. So führte beispielsweise der Österreicher René Kurz eine Studie über einen sechs Jahre alten Jungen durch, der die DSM-IV-Kriterien erfüllte. Im Bericht heißt es, dass der Patient sechs Monate lang mit Dronabinol (THC) behandelt wurde und sich hierunter eine positive Wirkung zeigte. Symptome wie Lethargie, unangemessene Sprache und Hyperaktivität verbesserten sich innerhalb der Cannabinoid-Behandlung.

US-amerikanische Forscher untersuchten zudem Mäuse, die gleiche Verhaltensweisen wie Autismus-Patienten zeigten und behandelten diese ebenfalls mit dem Cannabinoid THC. Im Ergebnis heißt es, dass sich bei den Mäusen, die mit dem medizinischen Cannabis behandelt wurden, die Symptome wie Depressionen und Aufmerksamkeitsstörungen verbesserten.

Weitere interessante Untersuchungen mit medizinischem Cannabis

Im Jahr 2017 wurde in dem Online-Magazin "US Today" über den israelischen Arzt Dr. Adi Aran berichtet, auf den einige Eltern zukamen und erzählten, dass ihre autistischen Kinder mit dem Cannabinoid Cannabidiol (CBD) bemerkenswerte Erfahrungen gemacht hätten.

Aran ist dem nachgegangen und hat eine Forschungsstudie initiiert, die der Frage nachgeht, inwieweit CBD tatsächlich bei Autismus hilfreich ist.

An der Untersuchungen nahmen 60 autistische Kinder teil, die mit oralem CBD und THC im Verhältnis von 20 zu 1 behandelt wurden. Die maximale CBD-Dosis lag bei 10 mg/kg/Tag. Nach der Behandlung mit Cannabis-Medikamenten waren die Verhaltensausbrüche bei 61 Prozent der Kinder stark zurückgegangen. Auch bei der Angstproblematik zeigte das Medikament eine positive Wirkung. Die Kommunikationsprobleme verbesserten sich ebenfalls. Zu den unerwünschten Nebenwirkungen gehörten Schlafstörungen (14 Prozent), Reizbarkeit (9 Prozent) und Appetitlosigkeit (9 Prozent).

Die Forscher um Aran schlussfolgerten, dass CBD eine vielversprechende Behandlungsoption für Verhaltensprobleme bei autistischen Kindern ist. Basierend auf diesen Ergebnissen plant das Forscherteam die Durchführung einer großen, doppelblind, placebokontrollierten Cross-Over-Studie mit 120 Teilnehmern.

Einsatz von Cannabis als Medizin

Der medizinische Einsatz von Cannabis bei erwachsenen Patienten könnte zu einer Verbesserung verschiedener schwerer Autismus-Symptome führen. Im Vergleich zu anderen Medikamenten wie zum Beispiel Neuroleptika, Benzodiazepine oder Antidepressiva, sind die Nebenwirkungen von Cannabis gering. Ärzte haben die Möglichkeiten, cannabisbasierte Arzneimittel in Form von Fertigarzneimitteln, Rezeptur-Arzneimitteln (z. B. Dronabinol) oder medizinischen Cannabisblüten auf einem BtM-Rezept zu verordnen. Ob eine Behandlung mit cannabisbasierten Medikamenten bei einem Patienten infrage kommt, ist letztendlich vom behandelnden Arzt zu entscheiden.

Autor - 

Alexandra Latour

Stellvertretende Redaktionsleitung. Erfahrene Healthcare-Autorin. Alexandra absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und studierte anschließend Betriebswirtschaftslehre. Nach ihrer Tätigkeit als Office-Managerin in einer Kölner Werbeagentur arbeitete sie rund zehn Jahre als freiberufliche Autorin für verschiedene bekannte Gesundheitsportale und Online-Magazine.

Im Leafly.de-Team ist Alexandra seit Mai 2017. Zunächst als freiberufliche Redakteurin und seit September 2018 als festangestellte Medizinredakteurin sowie als stellvertretende Redaktionsleitung.

Quelle : Das Wissensportal über Cannabis als Medizin 

Autismus: kann medizinisches Cannabis helfen?

Autismus ist eine tief greifende neurologische Entwicklungsstörung. Experten sprechen häufig von der Autismus-Spektrum-Störung (ASS), weil es sich um verschiedene Ausprägungen einer Störung handelt. Cannabis als Medizin könnte eine Option sein, begleitende Symptome wie beispielsweise Schlafstörungen, Angstzustände oder Wutausbrüche zu lindern.

Was ist die Autismus-Spektrum-Störung?

Mediziner unterscheiden zwischen dem frühkindlichen Autismus (Kanner-Syndrom), dem Asperger Syndrom und dem atypischen Autismus. Der Begriff Autismus-Spektrum-Störung (ASS) dient als Oberbegriff für die Bandbreite der autistischen Erkrankungen.


Alle tief greifenden Entwicklungsstörungen beginnen in der Kindheit und bestehen bis ins Erwachsenenalter. Die Ausprägung des Leidens kann allerdings sehr unterschiedlich sein. Die meisten Autisten haben schwere Beeinträchtigungen und benötigen ihr Leben lang Unterstützung und Hilfe. Manche können aber auch relativ unabhängig und selbstbestimmt leben.

Meist zeigen autistische Kinder Defizite in ihrer intellektuellen Entwicklung. Typisch ist aber auch eine besondere Begabung in einem Teilbereich, beispielsweise beim Klavierspielen oder in der Mathematik.

Die Hauptmerkmale von Autismus sind:

  • Beeinträchtigte soziale Interaktion
  • Gestörte Kommunikation
  • Repetitive und stereotype Interessen und Verhaltensmuster 

Probleme mit zwischenmenschlichen Beziehungen

Menschen mit Autismus legen ein geringes Interesse an sozialen Kontakten sowie Handicaps im Umgang mit anderen Menschen an den Tag. Die Betroffenen neigen dazu, sich in sich selbst zurückzuziehen. Sie können soziale und emotionale Zeichen anderer nur schwer einschätzen. Außerdem haben sie selbst Schwierigkeiten, diese auszusenden. Daher sind ihre Reaktionen auf die Gefühle der Menschen in ihrem Umfeld häufig unangemessen - jedenfalls für das Empfinden der meisten anderen Personen. So erscheinen Autisten oft unnahbar.

Störung in der Kommunikation

Bei den Betroffenen sind die kommunikativen Fähigkeiten eingeschränkt. Sie zeigen Auffälligkeiten in der Sprache und Verzögerungen bei der Sprachentwicklung. Durch Besonderheiten bei der Anwendung von Sprache ist ein wechselseitiges Gespräch häufig nicht möglich. 50 Prozent der Personen mit frühkindlichem Autismus erwerben Sprache gar nicht.

Stereotype Verhaltensweisen

Die Interessen und die Aktivitäten von Menschen mit einer ASS sind ebenfalls eingeschränkt. Ihr Verhalten ist charakterisiert durch zwanghafte oder stereotype Verhaltensweisen. Das bedeutet, dass alltägliche Aufgaben nach einer starren Routine durchgeführt werden. Veränderungen dieser Handlungsabläufe können zu großen Problemen führen. Aber auch eine neue Dekoration im Wohnzimmer kann bei Autisten eine starke negative Reaktion hervorrufen. Teilweise kommen unkontrollierbare motorische Bewegungen hinzu wie Schaukeln oder Wedeln.

Weitere Einschränkungen und Begleiterkrankungen

Neben den genannten Störungen leiden Menschen mit Autismus häufig auch unter einer Reihe weiterer Begleitstörungen, wie beispielsweise Angstzuständen, Schlafstörungen, Epilepsie, Essstörungen, Aggressionen und selbstverletzendem Verhalten.

Ursachen von Autismus

Wieso Autismus entsteht, ist bis heute nicht geklärt - trotz umfangreicher Forschungsarbeiten. Einigkeit besteht in der Wissenschaft inzwischen aber darüber, dass die Störung nichts mit emotionaler Kälte der Eltern zu tun hat. Auch die Annahme, dass die MMR-Impfung (Masern, Mumps, Röteln) an der Entstehung des Autismus beteiligt sei, ist widerlegt.

Diese Erklärung geht auf eine Studie aus dem Jahr 1998 zurück, die 2010 allerdings offiziell zurückgezogen wurde.

Zudem "gibt es auch keinen Beweis dafür, dass irgendein anderer Impfstoff für Kinder das Risiko von ASS erhöhen könnte", erklärt die World Health Organisation (WHO). "Evidenzüberprüfungen des möglichen Zusammenhangs zwischen dem in inaktivierten Impfstoffen enthaltenen Konservierungsmittel Thiomersal und Aluminiumadjuvantien und dem ASS-Risiko kamen zu dem Schluss, dass Impfstoffe das Risiko von ASS nicht erhöhen".

Allen Autismusformen liegen neurobiologische Ursachen zugrunde. Dies sind beispielsweise genetische Faktoren, aber auch Hirnfunktionsstörungen oder Hirnschädigungen könnten eine Rolle spielen.

Darüber hinaus vermuten Experten, dass verschiedene Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel eine Rötelninfektion während der Schwangerschaft, eine Rolle spielen.

Autismus: Therapie

Welche Therapie bei Kindern mit Autismus angewendet wird, hängt von der Autismusform und der Ausprägung der Störung ab. Generell ist es wichtig, dass die Behandlung im frühen Kindesalter beginnt. Heute nutzen Ärzte eine multimodale Therapie - zum Beispiel Verhaltenstherapie, Ergotherapie und Sprachtraining. Auch die Beratung und das Training der Eltern spielen eine große Rolle.

Bisher gibt es keine Therapie, die die Hauptsymptome der Autismus-Spektrum-Störung wirksam behandelt. Heute werden nur die Komorbiditäten therapiert - also die Krankheiten oder Störungen, die zusätzlich zum Autismus auftreten. So kommen zum Beispiel Antiepileptika bei Epilepsie zum Einsatz oder Antidepressiva bei Depressionen und Angstzuständen.

Helfen Cannabinoide bei der Autismus-Spektrum-Störung?

Das Endocannabinoid-System (ECS) in unserem Körper ist bei der Regulierung sozialer Reaktionen, Wahrnehmungen, Konzentration, Krampfanfällen, Körperbewegungen und vielem mehr beteiligt.

Da eine wirksame Behandlung der Kernsymptome des Autismus bisher fehlt, ist die Forschung zunehmend an Cannabinoiden interessiert. Hier liegt der Fokus vor allem auf Cannabidiol (CBD).

Cannabis könnte sowohl als Monotherapie wie auch als Zusatzbehandlung zum Einsatz kommen. Also sowohl in der Therapie der begleitenden Leiden wie auch in der Behandlung der Hauptsymptome des Autismus. Die Mechanismen, mit denen Cannabinoide das ECS modulieren, könnten hierfür der Schlüssel sein. [6]

Forscher haben im Jahr 2018 untersucht, welche Daten es überhaupt zum Thema Cannabinoide bei jungen Patienten mit ASS gibt.

Das Ergebnis ihrer Arbeit: 

"Cannabidiol scheint ein Kandidat für die Behandlung von ASS zu sein.

Gegenwärtig gibt es jedoch keine überzeugenden präklinischen oder klinischen Daten, die die Wirksamkeit und Sicherheit einer Cannabinoidbehandlung bei ASS-Patienten belegen."

CBD als Therapie zur Milderung der Symptome bei ASS

Es gibt also bisher noch nicht genügend Studien und Untersuchungen über die Wirkung von Cannabinoiden auf die Autismus-Spektrum-Störung. Somit ist weitere Forschung nötig, um hier die Zusammenhänge besser zu verstehen. Es zeigt sich aber, dass insbesondere CBD bei den Folgekrankheiten des Autismus - wie Schlafstörungen, Angstzuständen und Epilepsie - als Behandlung wirksam sein kann. 

Der israelische Mediziner Dr. Aran hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen eine Studie mit 60 Kindern, die an Autismus leiden, durchgeführt. Diese wurden mit Cannabidiol-reichem Cannabis behandelt.

Das Ergebnis: 

Bei 61 Prozent sind die Verhaltensausbrüche stark zurückgegangen. Auch bei der Angstproblematik und der Kommunikation zeigte das Cannabis-Medikament eine positive Wirkung. Zu den unerwünschten Nebenwirkungen dagegen gehörten Schlafstörungen (14 Prozent), Reizbarkeit (9 Prozent) und Appetitlosigkeit (9 Prozent). 

Das Forscherteam zog aus diesen Ergebnissen den Schluss, dass CBD eine vielversprechende Behandlungsoption für Verhaltensprobleme bei Kindern mit ASS ist.

Ein weiterer interessanter Aspekt dieser Studie: 

Nicht nur die Symptome verbesserten sich, sondern bei einigen Kindern konnte auch die Grundmedikation reduziert werden. 82 Prozent der Studienteilnehmenden wurden neben Cannabis gleichzeitig mit anderen Medikamenten behandelt, wie beispielsweise Antipsychotika, Stimmungsstabilisatoren oder Benzodiazepine.

Nach der Cannabisbehandlung erhielten 33 Prozent der Kinder weniger Medikamente oder eine niedrigere Dosis, 24 Prozent stellten die Einnahme von Medikamenten ganz ein und 8 Prozent erhielten mehr Medikamente oder eine höhere Dosis.

Eine andere Untersuchung unterstützt die positiven Hinweise auf die Wirksamkeit von Cannabinoiden bei der Behandlung von Autismus: Wissenschaftler analysierten die Daten von 188 ASS-Patienten, die zwischen 2015 und 2017 mit medizinischem Cannabis behandelt wurden. Zum Einsatz kam bei der Mehrheit der Patienten Cannabisöl, das 30 % CBD und 1,5 % THC enthielt.

Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass medizinisches Cannabis bei Autismus-Patienten eine gut verträgliche, sichere und scheinbar wirksame Option zur Linderung der mit Autismus verbundenen Symptome zu sein scheint. Vor allem bei Anfällen, Tics, Depressionen, Unruhe und Wutanfällen könne Cannabis hilfreich sein. Insgesamt berichteten mehr als 80 Prozent der Eltern von einer signifikanten oder mäßigen Verbesserung des Gesamtzustandes des Kindes.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es beträchtliche Hinweise dafür gibt, dass medizinisches Cannabis bei der Behandlung der ASS-Symptomatik helfen kann.

Vor allem CBD-reiche Cannabis-Arzneimittel haben positive Resultate erzielt. Allerdings sind die Ergebnisse der Studien nicht eindeutig, denn nicht alle Untersuchungen zeigen bei den gleichen Symptomen Verbesserungen: "Die Studien ergaben gemischte und nicht schlüssige Ergebnisse hinsichtlich der Auswirkungen von Cannabis für alle Erkrankungen mit Ausnahme der Epilepsie."

Forscher betonen ebenfalls: Obwohl medizinisches Cannabis bei der Behandlung von ASS-Kernsymptomen vielversprechend zu sein scheint, sind evidenzbasierte Empfehlungen notwendig, um die Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten.

Wie genau Cannabinoide bei Autismus helfen, hat die Wissenschaft noch nicht belegen können. Daher ist es wichtig, mehr Forschung zu betreiben, um besser zu verstehen, welchen Effekt Cannabis auf ASS-Patienten hat.

Zurzeit wird in den USA eine placebokontrollierte Studie mit Cannabidivarin (CBDV) durchgeführt, die die Auswirkungen des nicht-psychoaktiven Cannabinoids auf Kinder und junge Menschen mit Autismus untersucht.

Die Ergebnisse dieser klinischen Studie werden mit Spannung erwartet.

THC bei Autismus - das wirksamere Cannabinoid

 Stand - 29.12.2021 

Israel gilt als ein Pionier in Sachen Hanfforschung. Schon früh begann das Land, spezielle Krankheiten und Alterserscheinungen mit Cannabisprodukten zu behandeln und sorgte global mit den Ergebnissen für Aufsehen. Ebenfalls stammt die Entdeckung des Wirkstoffs THC aus Israel, wo sich bereits in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts Dr. Raphael Mechoulam mit der chemischen Zusammensetzung von Marihuana auseinandersetzte.

Auch die Isolation von CBD geht auf das Konto des in Jerusalem arbeitenden Professors. Die von ihm betriebene Grundlagenforschung führte Jahrzehnte später dazu, dass viele Krankheiten mit Cannabinoiden erfolgreich behandelt werden können. Beispielsweise auch Autismus. Selbst bei Kindern kam bereits der nicht berauschende Wirkstoff Cannabidiol zum Einsatz und Eltern von unter Epilepsie leidenden Heranwachsenden schwören ebenfalls auf die Fähigkeiten von CBD.

Nun hat in Israel eine neue Forschungsreihe bezüglich Autismus aber überraschende Ergebnisse hervorgebracht, die die bisherigen Erkenntnisse ein wenig in Frage stellen und einen wissenschaftlichen Wendepunkt bedeuten könnten. Laut Forschern der Tel Aviv Universität scheint es nämlich so, als ob Tetrahydrocannabinol - also das berauschend wirkende THC - die effektivere Substanz im Kampf gegen Autismussymptome darstelle.

Mit Mäusen der Wahrheit hinterher

Es wird seitens der israelischen Wissenschaftler davon berichtet, dass autistische Mäuse geselliger werden und deren Zwangsstörungen verringert werden können, wenn man ihnen THC-haltige Cannabisprodukte verabreichen würde. Die Studie könne die Richtung aller Bemühungen bezüglich der Verwendung von Cannabis zur Behandlung der Störung ändern, sagen die Forscher. Die Ergebnisse würden darauf hindeuteten, dass derzeit nicht die richtige chemische Verbindung der Pflanze im Mittelpunkt stehe. Aktuell würden sich viele Patienten selbst mit CBD-Produkten behandeln und die wissenschaftlichen Untersuchungen konzentrierten sich in erster Linie ebenfalls auf das nicht berauschend wirkende Cannabinoid.

2019 zeigte eine ebenfalls in Israel durchgeführte Studie, dass die meisten Patienten mit CBD behandelt würden und damit positive Ergebnisse bezüglich der Eindämmung ihrer Krankheitssymptome erzielten. In der jetzt an einer großen Anzahl Mäusen durchgeführten Untersuchung kam aber ein anderes Bild zum Vorschein. Die Forscher gehen davon aus, dass THC weitaus wirksamer ist. Nicht nur die Symptome wären für das betroffene Individuum besser verträglich, sondern die Fähigkeiten, sozial zu agieren, würden auf diese Weise gesteigert.

THC bei Autismus effektiver

Die laufenden Studien hätten sich meist nicht genügend auf die Details konzentriert, was in Cannabis tatsächlich enthalten ist und was den Menschen helfen könne, erklärte die beteiligte Forscherin Shani Poleg gegenüber der Times of Israel. "In unserer Studie haben wir uns die Details angeschaut und sind zu überraschenden und interessanten Ergebnissen gekommen. Nachdem man CBD-Öl einsetzte, beschränkte man sich auf Öl, das überhaupt kein Cannabidiol, aber dafür geringe Mengen THC enthielt. Das Ergebnis: THC war wirksamer. Der Hauptunterschied bestand darin, dass die THC-Behandlung auch das Sozialverhalten verbesserte, nicht nur das repetitive, zwanghafte Verhalten, so Poleg.

Die Behandlung mit CBD half den Mäusen in der Studie vor allem bei der Bewältigung sich wiederholender, zwanghafter Verhaltensweisen. Shani Poleg sagte, dass THC zwar Rauschzustände hervorrufe, die Forschung aber darauf hindeute, dass die Menge der Verbindung, die benötigt würde, um Ergebnisse zu erzielen, ziemlich gering sei. Die Studie zeige, dass bei der Behandlung von Autismus mit medizinischem Cannabisöl weder hohe CBD- noch THC-Mengen erforderlich seien. Man habe bereits eine signifikante Verbesserung der Verhaltenstests nach der Behandlung mit Cannabisöl beobachten können, das nur geringe Mengen an THC enthielt. Auch stellte man keine langfristigen Auswirkungen bei kognitiven oder emotionalen Tests fest, die man eineinhalb Monate nach Beginn der Behandlung durchgeführt hatte.

Gute Gründe für THC-Behandlungen

Shani Poleg erläuterte dazu, warum THC-haltige Cannabisprodukte von Nutzen sein könnten. Die vorherrschende Theorie besagt, dass Autismus mit einer Übererregung des Gehirns einhergehe, die das zwanghafte Verhalten verursache würde. Im Labor konnte man aber zusätzlich zu den Verhaltensergebnissen eine signifikante Abnahme der Konzentration des erregenden Neurotransmitters Glutamat in der Rückenmarksflüssigkeit feststellen, was die Verringerung der Verhaltenssymptome erklären könnte.

Poleg betonte aber auch, dass es sich bei der von Prof. Daniel Offen geleiteten und kürzlich in der Zeitschrift Translational Psychology veröffentlichten Studie um eine vorläufige Studie handle, die noch nicht als Behandlungsempfehlung verstanden werden sollte. Sie wies auch noch darauf hin, dass die Mutation, die bei ihren Mäusen Autismus verursachte, Shank3, nur für eine kleine Minderheit der menschlichen Autismusfälle verantwortlich sei. Gerade einmal ein Prozent der Fälle sind auf diese Mutation zurückzuführen.

Man hoffe aber sehr, dass dies die weitere Erforschung bezüglich der Verwendung von medizinischem Cannabis bei Autismus fördere und somit zukünftig wirksameres Cannabis verwendet werden könne.

Die Forschungsgruppe arbeitet nun daran, die beste Zusammensetzung des Öls herauszufinden, um die positiven Auswirkungen zu maximieren.

Quelle :