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Immunsystem, Autoimmunerkrankungen und Cannabis

SciePro / Shutterstock.com
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Die genauen Wirkungen von Cannabinoiden auf das Immunsystem oder Erkrankungen des Immunsystems, z.B. Autoimmunerkrankungen, sind noch immer kaum erforscht.

Doch versuchen wir uns von dem zu nähern, was wir wissen. 

Das Endocannabinoidsystem und das Immunsystem

Das Endocannabinoidsystem ist das körpereigene System, über das Cannabinoide - sowohl körpereigene (Anandamid und 2-AG) als auch von außen zugeführte - im Körper wirken. Während sich der Cannabinoidrezeptor 1 (CB1) vor allem (aber nicht nur) auf Zellen des Nervensystems im Kleinhirn, in den Basalganglien sowie im Hippocampus vorkommt, findet sich CB2 vorwiegend auf Zellen im Immunsystem.

Die Anwesenheit des Rezeptors für Cannabinoide auf Zellen des Immunsystems weist darauf hin, dass das Endocannabinoidsystem an der Regulation und Modulation des Immunsystems beteiligt ist. Auf Immunzellen finden sich auch CB1-Rezeptoren, allerdings sind sie 10- bis 100-fach seltener als CB2 (1).

Das Immunsystem und die CB2-Rezeptoren

Innerhalb des Immunsystems wurden CB2-Rezeptoren in absteigender Expressionsstärke auf B-Zellen, NK-Zellen, Monozyten, neutrophilen Granulozyten und T-Zellen gefunden (1). Daneben exprimieren auch antigenpräsentierende dendritische Zellen CB1- und CB2-Rezeptoren.

  • B-Zellen sind weiße Blutkörperchen, die als einziger Zelltyp in der Lage sind, Antikörper gegen eingedrungene Erreger zu produzieren. Zusammen mit den T-Zellen (T-Lymphozyten) machen sie den wichtigsten Teil des adaptiven Immunsystems aus, welches spezifisch und passgenau auf den jeweiligen Erreger reagiert.
  • T-Zellen erkennen körperfremde Moleküle, die auf anderen Zellen präsentiert werden, und schlagen Alarm.
  • NK-Zellen (natürliche Killerzellen) sind in der Lage, abnormale Zellen wie Tumorzellen und virusinfizierte Zellen zu erkennen und abzutöten.

Im Gegensatz zu B- und T-Zellen, die spezifisch auf körperfremde Antigene ansprechen, besitzen NK-Zellen keine Antigen-spezifischen Rezeptoren. Sie gehören zum angeborenen Immunsystem. Neutrophile Granulozyten gehören ebenfalls zum angeborenen Immunsystem. Sie können körperfremde Mikroorganismen identifizieren und zerstören.

Zellen im Immunsystem

Monozyten sind die Vorläufer der Fresszellen, der Makrophagen. Sie "verspeisen" (phagozytieren) körperfremde Zellen und Strukturen. Dabei zerlegen sie sie in kleine Bestandteile und stellen diese Teile quasi im Schaufenster (auf ihrer Zelloberfläche) aus. So werden B- und T-Zellen darauf aufmerksam.

Man sieht, dass die Immunzellen, auf denen der CB2-Rezeptor vorwiegend anzutreffen ist, an vielen unterschiedlichen Prozessen der Immunabwehr beteiligt sind. Die Expression, und damit vereinfacht gesagt die Menge, von Cannabinoid-Rezeptoren hängt stark vom Funktionszustand der Immunzellen ab.

In Makrophagen hängt die Expression beispielsweise davon ab, ob sie aktiviert sind (also einen Mikroorganismus phagozytiert haben) oder nicht. Auch bestimmte Substanzen, wie das an Entzündungsprozessen beteiligte Interferon-γ, verstärkt die Expression. Andere Substanzen (z.B. bestimmte antientzündlich wirkende Zytokine) können hingegen die Expression in Lymphozyten verringern.

Widersprüchliche klinische Wirkungen

Auf Zellebene können geringste Unterschiede in den Mengen von Endocannabinoiden oder exogenen Cannabinoiden die Aktivität einzelner Zelltypen beeinflussen. Hier ist es schwer, eine allgemeine Aussage zur Wirkung auf die Immunzellen abzugeben.

Klinisch betrachtet ist die Wirkung auf das Immunsystem jedoch ebenfalls widersprüchlich. Bei Cannabis-Rauchern wurde beobachtet, dass sie häufiger Herpes simplex (Lippenherpes oder Genitalherpes) bekommen (3). Dies lässt darauf hindeuten, dass das Immunsystem geschwächt ist. Eine Studie an HIV-Patienten, die 21 Tage lang mit Dronabinol behandelt wurden, fand sich kein Hinweis auf eine bedeutsame Immunsuppression (4).

Das sind nur zwei der widersprüchlichen Beispiele, die zeigen, dass die Antwort nicht einfach ist und wahrscheinlich von vielen Faktoren abhängt.

Bei chronischen Cannabis-Rauchern muss beispielsweise berücksichtigt werden, dass das Ziel - der Rausch - nur durch eine Dosis erreicht werden kann, wie sie im medizinisch-therapeutischen Bereich eher selten anzutreffen ist. Zudem sind die sonstigen Lebens- und Essgewohnheiten zu betrachten.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass exogene Cannabionide (aus der Cannabispflanze) teilweise andere Wirkungen bei der Bindung an die Rezeptoren CB1 und CB2 entfalten, als es die endogenen (körpereigenen) Cannabinoide (Anandamid, 2-AG) tun. Somit ist es schwer vorherzusagen, wie das Immunsystem durch cannabisbasierte Medikamente moduliert wird.

Autoimmunerkrankungen und Cannabinoide

Als Autoimmunerkrankungen werden Krankheiten bezeichnet, bei der das Immunsystem einzelne Zelltypen oder Gewebe des eigenen Körpers nicht als körpereigen erkennt und damit bekämpft, als wäre es fremdes Gewebe. Weltweit sind etwa 5-8% der Bevölkerung von ungefähr 80-100 verschiedenen Autoimmunerkrankungen betroffen (5). Nach Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen sind sie die dritthäufigste Erkrankungsgruppe.

Man unterscheidet zwischen organspezifischen Autoimmunerkrankungen, bei denen ein bestimmtes Organ nicht toleriert wird. Beispielsweise bei Multiple Sklerose, Typ 1-Diabetes,Colitis ulcerosa, Morbus basedow, Hashimoto-Thyreoiditis, Fibromyalgie, Morbus Crohn. Und systemischen Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem gegen verschiedenste Organe und Zellen vorgeht . Zum Beispiel bei Rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Sklerodermie. In jedem Fall entstehen chronisch-entzündliche Gewebeschädigungen.

Die Ursachen sind für die meisten Autoimmunerkrankungen noch nicht vollständig verstanden. Häufig spielen Umweltfaktoren, genetische Veranlagung und schwere Infektionen eine Rolle.

Es gibt eine so große Zahl an Autoimmunerkrankungen, die jede ein spezifisches Beschwerdebild hervorruft. Daher sind allgemeine Aussagen zur Wirksamkeit von Medizinalcannabis oder cannabisbasierten Arzneimitteln bei Autoimmunerkrankungen nicht möglich.

Gemeinsam sind jedoch vielen Erkrankungen die chronischen Entzündungen und chronische Schmerzen. Bei diesen Symptomen - dies ist inzwischen vielfältig gezeigt worden - können Medizinalcannabis oder cannabisbasierte Arzneimittel Linderung schaffen.

CBD hat entzündungslindernde Effekte, mit denen versucht wird, die Situation der Patienten zu verbessern. Bei Schmerzen kann CBD ebenfalls wirksam sein, aber auch THC kann versucht werden.

Autor

Dr. Christine Hutterer : Promovierte Biologin, Medizin- und Wissenschaftsautorin: Dr. Christine Hutterer ist promovierte Biologin und arbeitet als freie Medizin- und Wissenschaftsjournalistin sowie als Buchautorin. Sie ist seit Mai 2017 freie Autorin bei Leafly.de und verfasst für uns medizinische Fachartikel.

Wie wirkt Cannabis auf das menschliche Immunsystem?

Die Wirkstoffe der Cannabispflanze sind noch immer nicht vollständig erforscht.  pixabay.com, micripper (CC0 Public Domain)
Die Wirkstoffe der Cannabispflanze sind noch immer nicht vollständig erforscht. pixabay.com, micripper (CC0 Public Domain)

Cannabis ist in der Lage, das menschliche Immunsystem zu beeinflussen, so die Studienergebnisse neuer Forschungen. THC und CBD, die beiden wichtigsten Substanzen in der Cannabis-Pflanze, interagierten mit dem körpereigenen Endocannabinoidsystem.

Sie können viele Krankheiten und Symptome positiv beeinflussen. Hanf als Heilpflanze steht mittlerweile im Fokus der Wissenschaft. Dabei stellt sich die Frage, wie genau die positiven Effekte auf die menschliche Gesundheit aussehen. Am Ende kann Cannabis vielleicht sogar Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise HIV heilen?

Das Immunsystem und wie es funktioniert

Im menschlichen Immunsystem gibt es viele Wirkstoffe und Prozesse, die den Körper vor Angriffen durch Bakterien, Parasiten oder Viren schützen. Dazu muss das Immunsystem wissen, welches die körpereigenen, gesunden Zellen sind und welche die Zellen sind, die dem Körper schaden wollen. Im Körper gibt es ein dynamisches Netzwerk, das ständig damit beschäftigt ist, zu kommunizieren und Informationen auszutauschen. Darüber hinaus muss es auf äußere Einflüsse reagieren, diese verarbeiten und gegebenenfalls abwehren.Dabei ist das Immunsystem ständig bestrebt, Antigene abzuwehren oder unschädlich zu machen. Antigene sind Bakterien, Parasiten, Viren oder Zellen, die nicht körpereigen sind. Diese Antigene stoßen auf die äußeren Rezeptoren und setzen eine Zellsignalisierungsreaktion in Gang. Das Immunsystem verbreitet die Informationen und geht in die Defensive. Manchmal kann das Immunsystem jedoch nicht zwischen den guten, körpereigenen und den schädlichen Zellen unterscheiden kann. Dann löst es Körperreaktionen aus, die sich gegen den eigenen Körper richten, wie Allergien, Migräne oder Asthma.

Eine gesunde und vitaminreiche Ernährung trägt ebenfalls zur Stärkung des Immunsystems bei.  pixabay.com, silviarita (CC0 Public Domain)
Eine gesunde und vitaminreiche Ernährung trägt ebenfalls zur Stärkung des Immunsystems bei. pixabay.com, silviarita (CC0 Public Domain)

Erst seit Kurzem bekannt: das Endocannabinoidsystem

Dass Cannabis lange Zeit als illegal galt, hatte zur Folge, dass die Forschung an der Pflanze behindert war. Die schon seit 5000 Jahren als Heilpflanze bekannte Pflanze ist noch immer nicht vollständig erforscht. Das menschliche Endocannabinoidsystem haben Forscher ebenfalls erst spät entschlüsselt, und zwar in den frühen 1990er-Jahren. Heute ist bekannt, dass es zwei Arten von Rezeptoren besitzt: die CB1- und die CB2-Rezeptoren, an die körpereigene Cannabinoide andocken. Die CB1-Rezeptoren befinden sich in erster Linie im Gehirn und die CB2-Rezeptoren sind hauptsächlich in den Immunzellen zu finden.

Was bewirkt CBD im Immunsystem?

Verschiedene neuere Forschungsergebnisse haben Wissenschaftler zu der Annahme verleitet, dass CBD positive Wirkungen auf das Immunsystem hat. Die Ursachen dafür sind allerdings noch nicht vollständig erforscht.

Indem es Entzündungen bekämpft, kann es das Immunsystem unterdrücken. Je nach Krankheitsbild muss der Arzt entscheiden, ob dieser Effekt tatsächlich hilfreich ist.

Denn dabei ist zu bedenken, dass Entzündungen eine wichtige Funktion haben. Es ist ein Abwehrmechanismus des Körpers, um Krankheitserreger abzufangen und zu verhindern, dass sich der Erreger weiter ausbreitet. Bei Autoimmunerkrankungen kann dies dazu führen, dass sich die Erkrankung noch verschlimmert.

Wie wirkt Cannabidiol im menschlichen Immunsystem?

Es ist bis heute noch nicht genau erforscht, wie CBD im menschlichen Immunsystem wirkt. Forscher haben im menschlichen Körper ein Endocannabinoid entdeckt, das Freude und Glücksseligkeit auslöst: das Anandamid. Es bindet sich an CB1-Rezeptoren und gibt dann Informationen an andere Zellen weiter. Das Enzym FAAH baut das Cannabinoid Anandamid ab. Die Hanfpflanze verfügt über ein genau gleiches Endocannabinoid, ein sogenanntes pflanzliches Mimetikum (vom Griechischen Mimesis für Nachahmung). Diese Substanz dockt an dieselben Rezeptoren an und hat ähnliche biochemische Eigenschaften. Ein weiteres Mimetikum ist das 2-Arachidonoylglycerin, das sich an CB2-Rezeptoren bindet. Dabei handelt es sich um ein Mimetikum des Cannabidiols (CBD). Außerdem hemmen CBD und auch THC den Abbau des Enzyms FAAH. Damit kann das Anandamid, das sonst von FAAH abgebaut wird, andere Funktionen im Körper besser wahrnehmen. Denn es ist ein Stoff, der viele Körperfunktionen steuert, Emotionen reguliert und das Wohlbefinden steigert.

Wie kann CBD helfen, Krankheiten vorzubeugen?

Viele der modernen Zivilisationskrankheiten entstehen durch selbstverantwortete Einflüsse, wie beispielsweise Stress, Schlafmangel oder ungesunde Ernährung. Im Körper kommt es zu Allergien, Autoimmunerkrankungen, erhöhten Cholesterinwerten, Depressionen, Fettsucht, Magengeschwüren und sogar Krebs. CBD hilft dabei, den Körper zu unterstützen und diesen Erkrankungen vorzubeugen. Es wirkt unter anderem antiseptisch, schmerzlindernd, entspannend und hilft besser zu schlafen. Es trägt dazu bei, im Körper eine allgemeine Balance herzustellen, größere Schäden zu vermeiden und vorhandene Schäden zu beheben oder zu lindern. Natürlich ist CBD kein Wundermittel, das schwere Erkrankungen ganz vermeiden kann. Doch es kann den Körper im Vorfeld stärken und robuster machen, dann haben es Krankheiten viel schwerer.

Wie kann CBD helfen, eine Autoimmunerkrankung zu bekämpfen?

Wenn das Immunsystem sich gegen den eigenen Körper richtet, kann das schwerwiegende Folgen haben. Davon können ganze Organe betroffen sein, wie beispielsweise bei Multipler Sklerose oder Hashimoto. Den Erkrankungen ist oft gemeinsam, dass Entzündungen immer wieder aufflammen und starke Schmerzen verursachen. Cannabis kann helfen, diese Entzündungen zu hemmen.

Cannabidiol ist in verschiedenen Dareichungsformen im Handel erhältlich. pixabay.com, Erin_Hinterland (CC0 Public Domain)
Cannabidiol ist in verschiedenen Dareichungsformen im Handel erhältlich. pixabay.com, Erin_Hinterland (CC0 Public Domain)

Darreichungsformen von CBD

Viele Wirkstoffe aus der Cannabispflanze wirken positiv auf das menschliche Immunsystem. Es hilft nicht nur im Krankheitsfall. Es dient vor allem der Vorbeugung. Im Handel ist CBD in zahlreichen Darreichungsformen erhältlich: Öle, Pasten, Cremes, Tabletten, Liquids, Tee, Kristalle oder Kapseln. Damit es frei verkäuflich ist, darf der THC-Gehalt nur maximal 0,2 Prozent betragen. Zudem darf es keine Heilversprechen geben. Das Öl wirkt oral aufgenommen am schnellsten, da es über die Mundschleimhaut direkt in den Kreislauf gelangt. Vielen ist allerdings der Nachgeschmack unangenehm. Sie bevorzugen die Kapselform. Kapseln lösen sich erst im Verdauungstrakt auf und gelangen dort in den Blutkreislauf. Die Wirkung tritt dadurch viel langsamer ein.

ECS & das Immunsystem

Das Vorhandensein von Cannabinoidrezeptoren auf Zellen des Immunsystems sowie anekdotische und historische Beobachtungen, die zeigen, dass der Konsum von Cannabis starke immunmodulatorische Effekte mit sich bringt, führte zur Erforschung der Funktion und Rolle dieser Rezeptoren im Kontext der immunologischen Zellantwort. Das Endocannabinoidsystem greift modulatorisch sowohl in die Reifung der Immunzellen in primären lymphatischen Geweben als auch in deren Effektorfunktionen wie z.B. die Zytokinsekretion ein. Die regulierende Wirkung von Cannabinoiden auf T - und B - Lymphozyten, natürliche Killerzellen (NK), Makrophagen und Mikroglia ist inzwischen unumstritten, benötigt in der Zukunft jedoch noch detailliertere Erforschung zum besseren Verständnis. Bereits jetzt lässt sich aber schlussfolgern, dass Cannabinoide zur Behandlung von (chronisch) entzündlichen Erkrankungen in Betracht gezogen werden sollten.

Seit der Entdeckung der Cannabinoidrezeptoren und ihrer endogenen Liganden wurden bedeutende Fortschritte bei der Untersuchung der physiologischen Funktionen des Endocannabinoidsystems für Gesundheit und Krankheit gemacht. Das Vorhandensein von Cannabinoidrezeptoren auf Zellen des Immunsystems sowie anekdotische und historische Beobachtungen, die darauf hindeuten, dass der Konsum von Cannabis starke immunmodulatorische Effekte mit sich bringt, führte zur Erforschung der Funktion und Rolle dieser Rezeptoren im Kontext der immunologischen Zellantwort. Die Wirkung von cannabimimetischen Wirkstoffen auf T - und B - Lymphozyten, natürliche Killerzellen (NK), Makrophagen und Mikroglia ist inzwischen unumstritten, benötigt in der Zukunft jedoch noch detailliertere Erforschung zum besseren Verständnis.

Bereits jetzt lässt sich aber schlussfolgern, dass Cannabinoide zur Behandlung von (chronisch) entzündlichen Erkrankungen wie z.B. Multiple Sklerose, Rheumatoide Arthritis, Diabetes oder allergischem Asthma in Betracht gezogen werden sollten.1 Einige Autoren betrachten die beiden Systeme als so eng miteinander verknüpft, dass sie in den wissenschaftlichen Publikationen sogar vom "Immuno-Cannabinoidsystem" sprechen.4

Das Immunsystem ist ein komplexes Netzwerk von Zellen, Gewebebestandteilen und löslichen Mediatoren, einschließlich Zytokinen und Hormonen (Abbildung 1). Zytokine sind Botenstoffe, die von Zellen des Immunsystems produziert werden, um die Immunantwort zu regulieren. Zu den pro-inflammatorischen Zytokinen gehört z.B. TNF-alpha (Tumor-Nekrose-Faktor alpha). Zu den anti-inflammatorischen Zytokinen zählen in erster Linie die Interleukine IL-10 (Interleukin-10), IL-4 (Interleukin-4) sowie IL-11 (Interleukin-11).

Abb. 1 (adaptiert aus: Klein et al., Pain Res Manage 2001)2 

Stammzellen reifen zu kompetenten Lymphozyten (Sub-Population der Leukozyten; B- T- und NK Zellen) in primären lymphoiden Organen wie Thymus und Knochenmark (KM) heran. Die reifen Lymphozyten wandern in sekundäre lymphatische Organe wie Milz, Lymphknoten, Blut, bronchiales Lymphgewebe (BALT), Darm-assoziiertes Lymphgewebe (GALT) und Haut, wo sie mit den anderen zellulären Hauptkomponenten des Immunsystems interagieren. Ein Fremd-Antigen induziert die Zellen zu verschiedenen Effektorfunktionen der Immunität, einschließlich zellvermittelter Immunität (CMI) und Antikörper-Sekretion, Allergie und Autoimmunität, Chemokin- und Zytokin-Sekretion wie Interferone (IFNs) und Tumornekrosefaktor (TNF) und Neuroimmunhormone wie Endorphine und Anandamid.

In primären lymphatischen Organen (z.B. Thymus, Knochenmark) reifen Stammzellen zu Leukozyten, d.h. weißen Blutkörperchen, heran. T-Zellen entwickeln sich im Thymus, B-Zellen im Knochenmark (engl. bone marrow). B-Zellen produzieren Antikörper, welche sich an ein Pathogen heften und ermöglichen so dem Immunsystem, Pathogene zu erkennen und zu eliminieren. T-Helfer-Zellen signalisieren den B-Zellen, solche Antikörper zu produzieren und sie erhöhen auch die Fähigkeit der Makrophagen (eine weitere Klasse von Leukozyten), Pathogene zu phagozytieren ("fressen"). T-Killer-Zellen sind, wie ihr Name schon sagt, neben den NKs (Natürliche Killerzellen) die Killer unter den Leukozyten. Sie zerstören alle Zellen, die z.B. von Viren infiziert wurden.

Eine weitere wichtige Art von Leukozyten sind die dendritischen Zellen. Wenn Pathogene in den Organismus eindringen, signalisieren dendritische Zellen durch Antigen-Präsentation (Antigene sind Proteine oder sonstige Bestandteile des phagozytierten Pathogens) den T-Helfer-Zellen, um welche Art von Erreger es sich handelt und wie dieser zerstört werden kann; daraufhin erfolgt eine komplex orchestrierte Immunantwort (z.B. durch vermehrte Produktion / mitotische Teilung der benötigten Abwehrzellen). Mikrogliazellen übernehmen im Gehirn ähnliche Aufgaben wie Makrophagen oder dendritische Zellen. Mastzellen, eosinophile und basophile Granulozyten enthalten Botenstoffe wie Histamin und Heparin, welche sofort ausgeschüttet werden, sobald ein Pathogen identifiziert wird.

Es kommt dann zu einer heftigen Entzündungsreaktion (Rötung, Jucken/Schmerz, Schwellung), welche neben anderen chemotaktischen Signalen den übrigen Immunzellen signalisiert, zum Ort des Geschehens zu wandern und bei der Abwehr zu helfen. Regulatorische T-Zellen stellen sicher, dass die Immunantwort zu gegebener Zeit wieder beendet wird.3 Bei der Reifung der Stammzellen zu Immunzellen wird die Entwicklung von solchen Immunzellen gefördert, die Fremd-Antigene erkennen und unterdrückt, welche körpereigene Antigene erkennen, wodurch die Tendenz zur Autoimmunität unterdrückt wird.

Die Reifung in diesen Organen wird durch Hormone wie z.B. Corticosteroide (Stresshormone der Nebennierenrinde) und Zytokine gesteuert und kann durch Medikamente wie Cannabinoide moduliert werden. Reife Lymphozyten verlassen Thymus und Knochenmark und wandern zu sekundären lymphatischen Organen wie Milz oder Lymphknoten. Hier wird die Immunantwort ausgelöst, wenn Antigene oder Mikroben vom Organismus detektiert worden sind. Jede der beschriebenen zellulären Interaktionen wird ebenfalls durch Hormone und Zytokine reguliert, so dass auch hier Medikamente wie Cannabinoide als Modulatoren sekundär eingreifen.

In einem 2005 im Journal of Immunology publizierten Review1 fassten die Autoren einige der bisher nachgewiesenen Wirkungen der Phytocannabinoide CBD und THC auf die Zytokin-Sekretion verschiedener Leukozyten-Subtypen zusammen. Die folgende Tabelle ist dieser Arbeit entnommen:

Effects of cannabinoids on cytokine production
Cytokine System Drug Reference
Increase in cytokine production
IL-1 In vitro mouse macrophages THC Zhu et al., 1994
In vivo mouse serum THC Klein et al., 1993
In vitro mouse macrophages THC Newton et al., 1998
TNF In vitro human monocytes THC Shiver et al., 1994
In vivo mouse serum THC Klein et al., 1998
In vitro mouse macrophages THC Newton et al.,1998
IL-4 In vitro human T cell dendritic cell co-culture THC Yuan et al., 1993
IL-6 In vivo mouse Serum THC klein et al., 1993
IL-12 In vitro/ex vivo mouse macrophages CBD Sacerdote et al., 2005
Decrease in cytokine production
IFN-Ɣ Ex vivo mouse spleen THC Blanchard et al., 1986
In vitro human NK cells THC Srivastava et al., 1998
In vitro mouse splenocytes THC Blanchard et al., 1986
In vitro human PBMC THC/CBD Watzl et al.,1991
In vitro human T cell dendritic cell co-culture THC Yuan et al., 2002
In vitro mouse splemocytes THC Newton et al., 1998
TNF Macrophage cell lines THC Zheng et al.,1992
In vitro human NK cells THC Kusher et al., 1994
In vitro human PBMC CBD Watzl et al.,1991
In vitro human NK cells THC Srivastava et al.,1998
IL-1 In vitro human PBMC CBD Watzl et al.,1991
IL-2 In vitro mouse spleen THC Nakano et al., 2005
IL-10 In vitro human T cells THC/CBD Srivastava et al., 1998
In vitro/ex vivo mouse macrophages CBD sacerdote et al., 2005
IL-12 In vitro mouse splentocytes/macrophages THC Newton et al., 1998

THC- Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol; CBD - cannabidiol; PBMC - peripheral blood monocytes. (aus: Croxford JL, Yamamura T., J Neuroimmunol. 2005)

Die Autoren hypothetisieren, dass CB1-vermittelte zentrale Wirkungen über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Stressachse (HPA-Achse) die Helfer-T-Zell Aktivität als Folge der Sekretion von Corticosteroiden beeinflussen. Überdies könnten CB2-Rezeptoren, die auf Immunzell-Subpopulationen exprimiert werden, über G-Protein gekoppelte second messenger Signale (siehe Abb. 2) z.B. bei der Modulation des Zytokin-Profils beteiligt sein, wodurch unter anderem die relative Reifung der unterschiedlichen T-Zell Subtypen beeinflusst wird. Immunzellen exprimieren nach Stimulation mit Antigenen und anderen bioaktiven Substanzen häufig neue Genprodukte. Dies scheint auch nach Stimulation der Cannabinoidrezeptoren der Fall zu sein.

Ein Einstrom von Ca2+ aktiviert Phospholipasen (PL), die die Umwandlung von Membran-Arachidonsäure (AA) in Endocannabinoide wie Anandamid (ANA), 2-Arachidonoylglycerol (2-AG) und 2-Arachidonylglycerylether (2-AGE) bewirken. Die Endocannabinoide können durch Fettsäureamidhydrolase (FAAH) aufgenommen und metabolisiert werden oder können an CB1 oder CB2 binden. Dies sind G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR), die über G-Protein-Untereinheiten Gα, -β und -γ signalisieren können, was zu einer Modulation von Stickstoffmonoxid (NO) und Adenylylcyclase (AC) führt. In Neuronen kann diese Signalisierung zu einer Änderung der K+ - und Ca2+ - Ströme und der Sekretion von Transmittern wie y-Aminobuttersäure (GABA) führen. Darüber hinaus kann CB1- und CB2-Signalisierung zur Aktivierung vieler anderer Faktoren führen, einschließlich PLC, Proteinkinase C (PKC), Kernfaktor-kB (NF-ϰB), extrazellulärer signalregulierter Proteinkinase (ERK), fokaler Adhäsionskinase (FAK), Steroidrezeptor-Coaktivator (Src), Mitogen-aktivierte Proteinkinase (MAPK) und MAPK-Kinase (MEK).

Abb. 2 Second Messenger Signale nach Cannabinoidrezeptor-Stimulation am Beispiel einer neuronalen Zelle; aus: Klein et al., 20034 

Zusammenfassend ist anzunehmen, dass Endocannabinoid-Signalwege in lymphoidem Gewebe eine tonische Kontrollinstanz der Immunzellaktivierung darstellen und so die spontane Aktivierung von Immun-Effektorzellen begrenzt wird.

Die hemmende Wirkung von Cannabinoiden auf die Immunfunktionen scheint dabei aber vorübergehend zu sein, was bedeutet, dass im Falle einer Infektion die inhibitorische Wirkung durchaus überwunden wird. Dies scheint durch verringerte Cannabinoid-Rezeptorexpression nach Aktivierung einiger Immunzelltypen unterstützt zu werden.

Darüber hinaus deutet die transiente Natur der Cannabinoid-Wirkung auf die Zellfunktionen des Immunsystems an, dass trotz minimaler Nebenwirkungen eine langfristige Verabreichung der Cannabinoid-Medizin angezeigt ist. 

Jüngste Studien deuten ferner auf unterschiedliche Wirkung von synthetischen, pflanzlichen und Endocannabinoiden auf das Immunsystem hin, welche auch dosisabhängig ist. Endocannabinoide wurden mit der Induktion einiger Cytokine sowie der Wanderung (Chemotaxis, Adhäsion) von Immunzellen, z.B. B-Zellen, in Verbindung gebracht.

  Es bleibt vor diesem Hintergrund zu wünschen, dass Immunologen in Zukunft die erfolgsversprechenden Effekte des Endocannabinoidsystems und pflanzlicher Liganden bei Krankheiten des Immunsystems noch detaillierter erforschen, damit noch mehr Patienten vom therapeutischen Potential der nebenwirkungsarmen Cannabinoid-Medizin profitieren können.